Auf mich machte es stets einen befremdlichen Eindruck, wenn ich etwas Mißbilligendes
über die Faulheitshandlung von einem Staats- oder Familienmitglied hörte oder
geschrieben sah. "Faulheit ist die Mutter aller Laster" – so brandmarkte
die gesamte Menschheit und alle Völker diese besondere menschliche Tat. Ich war immer der
Meinung, daß diese Anklage der Faulheit ungerecht ist. Warum wurde die Arbeit so
gepriesen und auf den Thron des Ruhmes und der Lobpreisung gesetzt, die Faulheit dagegen
an den Pranger gestellt, alle Faulen mit Schmach und dem Brandmahl des Lasters, der Mutter
der Faulheit, bedeckt, jeder Arbeitende aber mit Ruhm und Gaben bedacht und gefeiert. Mir
kam es immer so vor, als müßte es gerade umgekehrt sein: Die Arbeit muß verflucht
werden, wie es auch die Legenden vom Paradies überliefern, die Faulheit aber sollte das
sein, wonach der Mensch zu streben hat. Doch im wirklichen Leben hat sich alles ganz
anders entwickelt. Zu diesem anderen möchte ich mich nun aufmachen. Und wie jede Klärung
durch Merkmale und vorhandene Zustände hindurchgeht und jegliche Ausführungen und
Schlußfolgerungen von diesem Merkmalen herrühren, will auch ich in dieser Ausführung
über die Merkmale und ihre Beziehungen zueinander den Zweck, der sich im Wort
"Faulheit" verbirgt, ans Licht bringen. Mit vielen Worten werden Wahrheiten verdeckt, die nicht ausgegraben werden können. Mir
scheint, daß der Mensch die Wahrheiten seltsam behandelt hat, und er bald jenem Koch
ähnelte, der an vielen Töpfen unterschiedlichste Gerichte kochte. Sicher ist, daß jeder
Topf seinen eigenen Deckel hatte, doch aus lauter Zerstreuung deckte der Koch die Töpfe
mit den falschen Deckeln zu, so daß er schließlich nicht mehr wußte, was sich in
welchem Topf befindet. Ich glaube auch, daß hier, mit der Faulheit, ähnliches passierte,
viele Wörter und Wahrheiten sind mit Deckeln bedeckt worden, und kein Mensch weiß, was
sich unter dem jeweiligen Deckel befindet. Auf irgendeinem Deckel stand geschrieben
"Die Faulheit ist die Mutter aller Laster". Man bedeckte irgendeinen Topf damit
und denkt seither, daß in diesem Topf die Schande und das Laster aufbewahrt werden.
Selbstverständlich ist das Wort "Faulheit", wenn es einen menschlichen Zustand
meint, sehr gefährlich, etwas Gefährlicheres gibt es für den Menschen auf der ganzen
Welt nicht, man muß bloß daran denken, daß die Faulheit den Tod des "Seins"
einschließt, d.h. der Mensch, dessen ausschließliche Rettung in der Produktion und in
der Arbeit liegt – wird nicht länger tätig sein, das ganze Land wird sterben, dem
ganzen Volke droht der Tod. Es ist klar, daß dieser Zustand als Zustand des Verderbs
verfolgt werden muß. Und um sich dem Tod zu entziehen, denkt sich der Mensch Lebensformen
aus, in denen alle arbeiten müssen und es keinen einzigen Faulpelz gäbe. Das ist der
Grund dafür, daß das sozialistische System, das zum Kommunismus führt, alle Systeme
bekämpft, die vor ihm existiert haben, und die ganze Menschheit den alleinigen Weg der
Arbeit beschreite und dort kein Faulpelz übrigbliebe. Daher also besagt das
unbarmherzigste aller Gesetze in diesem menschlichen System: "Wer nicht arbeitet, der
soll auch nicht essen", und deshalb also verfolgt es den Kapitalismus, weil er, der
Kapitalismus, die "Faulpelze" hervorbringt und weil der Rubel definitiv zur
Faulheit führt, somit erfährt Gottes Fluch <über> die
Menschen – die Arbeit – in den sozialistischen Systemen den höchsten Segen.
Unter diese segnende Hand sollte sich jeder stellen, ansonsten drohe ihm der Hungertod,
heißt es. Eben dieser Zweck verbirgt sich im System der Werktätigen. Der Zweck liegt
darin, daß der Mensch in allen anderen Systemen das Gefühl des herannahenden
allumfassenden Todes nie spüren würde und auch nie sehen, daß sich in der Produktion
nicht nur das allgemeine, sondern auch das individuelle Wohl verberge. Im kollektiven
Arbeitssystem hingegen stellt sich der Tod vor jeden, jeder hat nur eine Aufgabe: sich
durch die Arbeit, durch die Produktion von Arbeit, zu retten. Ansonsten droht der Hunger.
Dieses Sozialistische Arbeitssystem beabsichtigt in seiner, natürlich unbewußten,
Handlung, die ganze Menschheit zum Arbeiten zu bringen, um die Produktion zu steigern, um
Sicherheit zu gewährleisten, um die Menschheit zu stärken und durch die
Produktionsfähigkeit ihre "Existenz" zu bestätigen. Natürlich ist dieses
System, das sich nicht nur um den Einzelnen, sondern um die ganze Menschheit kümmert,
absolut richtig. Genauso garantiert das Kapitalistische System das Recht auf und die
Freiheit zur Arbeit, auf das Vermehren des Geldes in den Banken, um sich zukünftig die
"Faulheit" zu sichern. Das setzt voraus, daß der Rubel jenes Zeichen ist, das
verführt, weil es verspricht, wovon in Wirklichkeit jeder träumt: die Glückseligkeit
der Faulheit. In der Tat, das ist die Bedeutung des Rubels, und der Rubel ist an sich
nichts anderes als ein Stückchen Faulheit. Wer am meisten davon sammelt, verweilt länger
in der Glückseligkeit der Faulheit. Die Überzeugten, die sich um das Volk gekümmert
haben, übersahen diese Ursache und den Zweck des ganzen in ihrem Bewußtsein und waren
sich immer einig, daß die Faulheit "die Mutter aller Laster" sei. Aber im
Unbewußten existierte das Andere, eben der Wunsch, in der Arbeit alle gleich zu stellen
oder, anders gesagt, der Wunsch auf Gleichberechtigung in der Faulheit. Erreicht wird das,
was im kapitalistischen System nicht erreicht werden kann, doch kümmern sich Kapitalismus
und Kommunismus um das gleiche: darum, den einzig wahren menschlichen Zustand zu
erreichen, nämlich die Faulheit. Im tiefen Unbewußten der Systeme versteckt sich genau
diese Wahrheit. Aber aus irgendwelchen Gründen hat man sie noch nicht begriffen, und
nirgendwo verkündet ein Arbeitssystem die Losung "die Wahrheit Deines Strebens ist
der Weg zur Faulheit". Stattdessen hängen überall nur Arbeitsparolen, und daraus
ist wohl abzulesen, daß die Arbeit unvermeidlich ist, es ist unvermeidlich (unmöglich?
– A..) sie abzulegen, und in der Tat soll dieses Ziel in sozialistischen
Systemen durch die Arbeit erreicht und die Last so Stunde um Stunde von den Schultern des
Menschen genommen werden. Je mehr Menschen arbeiten, desto weniger Arbeitsstunden wird es
geben, desto mehr Zeit bleibt der Muße. Das kapitalistische System formte mit allen möglichen Mitteln die
Klasse der Kapitalisten, wodurch sie sich selbst mit Glückseligkeit während des
Müßiggangs versorgte. Aber weil die Faulheit allein durch die Arbeit gewährleistet
wird, errichtete die kapitalistische Arbeitsorganisation ihr eigenes System, das nicht
zuläßt, die "Faulheit" allen zugänglich zu machen. Genutzt wird die Faulheit
nur von jenen, die Kapital besitzen. Demzufolge befreite sich die Klasse der Kapitalisten
von der Arbeit, sie befreite sich davon, wovon sich die ganze Menschheit befreien sollte.
Die Klasse der Kapitalisten betrachtet das ganze Volk als werktätige Arbeitskraft, so wie
das sozialistische System es als "werktätige" Arbeitsmaschine sieht, und darum
will jeder Kapitalist das werktätige Arbeitsvolk gerade so versorgen, daß seine Kräfte
nicht versiegen. Der Kampf der Kapitalisten mit nicht kapitalistischen Systemen geht
vonstatten, weil im Falle des Sieges eines nicht kapitalistischen Systems eine
Gleichstellung in der Arbeit erfolgen und dann die kapitalistische Klasse ihre
Glückseligkeit in der Faulheit verlieren würde. Und deshalb werden alle kapitalistischen
Unternehmen enteignet: um die Mittel gleich zu verteilen, die der Arbeit wie auch die der
Faulheit. Sozialistische Systeme streben die Äquivalenz von Arbeit und Faulheit an, und
jeder Mensch paßt genau auf, daß die Arbeit gleich verteilt wird; denn die Mußestunden
resultieren aus dieser gleichberechtigten Verteilung. Die kapitalistische Klasse
betrachtet die gesamte Produktion als einen kapitalsichernden Wert <und> das Kapital
als Zeichen, das die Muße garantiert. Auch das sozialistische, nichtkapitalistische
System erkennt in der Produktion jenen Wert, der die Mußestunden sichert. Die
Vervollkommnung des sozialistischen Systems führt nun nicht zur Erhöhung der
Arbeitsstunden, sondern zu deren Verminderung. Die Warenherstellung wird nach den
Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet. Nichts Überflüssiges, keine Überproduktion
darf es geben, denn letzteres gibt es nur dort, wo Gier verfolgt wird, die normalerweise
nutzlos ist. Und weil sich die Nützlichkeit im sozialistischen System auf jeden Einzelnen
richtet, wird sie von allen Werktätigen in gleichem Maße gesichert. Folglich wird es
keine Vervollkommnung zum persönlichen Vorteil geben. Sie wird nur von der Gesellschaft
zum Zweck des Gemeinwohls realisiert werden. Eigentlich kann man über alle Legenden
sagen, daß jegliche Vervollkommnung es in ihrem Wesen auf den allgemeinmenschlichen
Nutzen abgesehen hat, aber sobald der Vollkommenheitsschöpfer sein Produkt in die Welt
hinausgetragen hatte, nahm ein Unternehmer es ihm ab, verwendete es in erster Linie
<zu> seinem eigenen Vorteil und beutete schließlich diejenigen aus, die es nicht
schafften, dieses Produkt zu erwerben. Eine Maschine wurde erschaffen. Der Kapitalist
verwendete sie sogleich für seine Interessen und schon ergab sich die Möglichkeit, die
Anzahl der Arbeitskräfte zu verringern und das eigene Kapital zu vermehren. Dabei raubte
er den Arbeitern ihren letzten Lohn, der sich im Erhalt der Rubel als Zeichen der Faulheit
ausdrückte. Immer mehr von diesen Zeichen blieben beim Unternehmer. Den Arbeitern wurden
die Feiertage zur körperlichen Erholung überlassen, sie nutzten sie, wenn die
Unternehmer schon längst die grenzenlose Faulheit genossen. Das sozialistische System wird diese Maschine weiterentwickeln, darin
liegt der Sinn des Z wecks. Und zwar darin, möglichst viele Arbeitskräfte von der Arbeit
zu befreien, oder, anders gesagt, aus dem ganzen werktätigen Volk oder der ganzen
Menschheit einen faulen Hausherren zu machen, der wie der Kapitalist seine Schwielen und
seinen Schweiß auf die Hände des Volkes legt. Die sozialistische Menschheit wird auch
ihre Schwielen und ihren Schweiß auf die Muskeln der Maschinen niederlegen und die
Maschine mit endloser Arbeit versorgen, die ihr keinen einzigen Augenblick der Ruhe
gönnen wird. Später wird sich die Maschine befreien und ihre Arbeit auf ein anderes
Wesen übertragen müssen. Nur so kann sie sich vom Joch der sozialistischen Gesellschaft
entledigen und das Recht auf "Faulheit" sichern. So strebt alles Lebendige nach Faulheit. Andererseits ist die Faulheit
der Garant und Motor der Arbeit, schließlich kann man Faulheit nur durch bzw. über die
Arbeit erreichen. Nur so ist zu verstehen, daß den Menschen irgendein Arbeitsfluch ereilt
haben muß und er davor immer im Zustand der Faulheit verweilte. Im ursprünglichen
Zusammenleben, vielleicht, gab es diesen Zustand tatsächlich, und es kann sein, daß die
Legende über die Schaffung des Paradieses und der Vertreibung des Menschen daraus eben
jene verschwommene Vorstellung von der Vergangenheit oder von einer Zukunftsvision
ausdrückt, die der Mensch durch den Fluch der Arbeit erreichen wird. Letzteres läßt
sich vielleicht weiter oder tiefer klären, wenn man den schon entwickelten Gedanken
ergänzt mit dem "weißen Gedanken" über den nicht entthronten Gott (1). Jetzt will ich aber von jener Vermutung berichten, die ich, vielleicht
durch die Einführung eines anderen Gedankens, über das Ziel der Arbeit gemacht und damit
die Arbeit in ein völlig anderes Instrument verwandelt habe. Im Alltagsleben nimmt man
an, daß die Arbeit eine einfache Notwendigkeit ist, eine Art Rohkost, und nicht die
Hauptsache der menschlichen Vollkommenheit darstellt, und daß nach der Arbeit noch Zeit
bleiben sollte, die die Arbeit an der Vervollkommnung überhaupt erst ermöglicht. Diese
Vollendungen setzen Wissenschaft und alles Wissen der Umwelt sowie Selbsterkenntnis
voraus. Daraus folgt, daß die Verringerung der Arbeitszeit durch die Vervollkommnung
gerechtfertigt wird. Zu diesen Vervollkommnungen gehört sogar die Erholung: die Kunst
wird üblicherweise als Produkt der Erholung betrachtet. Aber mir scheint, daß diese
letzte Hälfte die zweite nicht rechtfertigen kann, sind doch die ganze Wissenschaft und
andere Wissenszweige auch Arbeit, zugegebenermaßen Arbeit auf einer anderen Ebene, und
diese Ebene gehört zu den künstlerischen Offenbarungen, zur Handlungsfreiheit, zur
freien Erfahrung, zur Suche; und in diesem Übergewicht gegenüber der reinen
Arbeitshälfte, der der schöpferische Akt fehlt, wird diese Ebene industriell, d.h. sie
enthält einen multiplizierbaren Beginn der Dinge, die durch die schöpferische Vollendung
erst zur Vervielfältigung gelangt sind. Genau darin liegt der verborgene Grund für den Wunsch des
Werktätigen-Arbeiters nach anderen Produktionsgebieten, in denen er sich von der
mechanischen Reproduktion befreien kann und der kreativen Arbeit widmen. Solche Arbeit
leistet das ganze Wissen der Wissenschaft und Kunst; aber nicht viele können wegen der
Gesellschaftssysteme der Staaten jenes Gebiet, die zweite Sphäre, des menschlichen
Handelns gar nicht betreten, und so verlangt <der Werktätige-Arbeiter> nach
Schauspielen und besucht verschiedenste wissenschaftliche Vorführungen. Aber, je mehr ich
mich in diese Kausalität vertiefe, sehe ich, daß man in der zweiten Hälfte der
menschlichen Arbeit eine Erholung sieht, anders gesagt, verbirgt sich in der Erholung oder
dem Schöpfertum ein besonderer Zustand der "Faulheit" und dieser führt zur
Vervollkommnung des absolut physischen Nichtstuns, der sämtliche physische Energien in
einen besonderen, allein gedanklichen Handlungszustand überträgt. Auf die Handlung der
Gedanken komme ich später zurück. Zunächst muß die Äquivalenz beider Hälften
menschlicher Arbeit geklärt werden, die Arbeit eben und die zweite Hälfte, die sich in
der Vervollkommnung durch die Wissenschaften und durch and<eres>
Wissen äußert. Beide bilden eine Ganzheit und streben gleichermaßen die Verringerung
der Arbeitszeit wie auch die Verkürzung der Stunden des Wissens und Schaffens an, und,
wie der Mensch durch die Arbeit "Faulheit" zu erreichen sucht, strebt das ganze
Wissen und die Wissenschaft durch sich selbst dazu, das gesamte Weltall zu erkennen und zu
erfahren, anders gesagt, das gesamte Weltwissen zu erobern. Niemand wird das bestreiten,
jede Sekunde will der Mensch in die Weltordnung eindringen und alles erfahren, was bislang
vor ihm verborgen blieb. Dieses Streben, würde ich sagen, ist ein Streben zu Gott, d.h.
zu jenem Bild, das die gesamte Menschheit sich als etwas Vollkommenes reserviert hat. Wie
hat sie sich ihn nicht alles vorgestellt<?> Als ein Wesen, das allgegenwärtig und
allwissend, omnipotent usw. ist. Folglich bewegt sich jeder Schritt des Menschen auf die
Vollkommenheit zu, d.h auf die Annäherung an Gott. Und nehmen wir mal an, daß der Mensch
in mehreren Tausend oder Millionen Jahren die Allwissenheit, folglich die
Allgegenwärtigkeit erreicht haben wird. Wie wird dieser Moment sein<?> Wenn es
weiter nichts zu erfahren und nichts zu wissen gibt und gewiß auch weiter nichts zu tun
sein wird - die Welt ist entdeckt und ihre ganzes Wesen ruht im Wissen, das Universum in
seiner ganzen Größe und Endlosigkeit seiner Schöpfungen wird sich nach seinem eigenen
ewigen Bewegungsgesetz bewegen, und diese ganze Bewegung ist meinem Wissen schon bekannt
und jedes ihrer Phänomene ist in seiner Unendlichkeit schon errechnet. Wenn eine solche Vollkommenheit erreicht sein wird, werden wir auch
Gott erreichen, eben jenes Bild von ihm, das die Menschheit zuvor in ihrer Vorstellung, in
Legenden oder in der Wirklichkeit entworfen hat. Dann beginnt das neue göttliche
Nichtstun, eine Zustandslosigkeit, der Mensch wird verschwinden, denn er geht in jenem
höchstem Abbild seiner vollendeten Vorbestimmung auf. Genau das wird auch mit der Arbeit
geschehen, in ihr wird die Menschheit eine solche Vollkommenheit erreichen, daß die
gesamte Produktion in die Gewalt der Natur übergehen und alles, ohne jegliche Arbeit, in
den Organismus eintreten wird, wie der Atem, der dem Organismus mit seiner ganzen Kraft
der Bewegung dient - wie das Leben (2). Dieses vollkommene Gottesbild zeigt sich auch in
der Arbeit, die danach strebt, den Menschen von der Arbeit zu befreien und jene Wonne zu
erreichen, in der alle menschlichen Fabriken und Betriebe wie von alleine funktionieren;
diese kleine Tat wird zu einem Muster für jene große Fabrik, das Weltall, in dem die
gesamte Produktion ohne Ingenieure und Arbeiter vonstatten geht, und das von Gott, wie
sich die Menschen das vorstellten, erbaut wurde, vom allwissenden und omnipotenten Gott.
Natürlich kann man die Allmacht und das Allwissen entlarven und an vielen
Unvollkommenheiten, die immer noch auf dem Weg zur Vollkommenheit unterwegs sind,
beweisen, aber vielleicht ist der gesamte Mechanismus des Universums in seiner
Vollkommenheit nur im Entwurf perfekt, und unvollendet sind nur seine vernünftigen
Details, so wie eine von den äußerlich scheinbar vollendeten Formen der Mensch ist, und
im ganzen ist dieser Mensch doch nur ein Splitter im Weltenbau des Universums. Er will
alles nach den Gesetzen des Universums auf der Erde errichten. Erreicht der Mensch im
Wissen und in der Arbeit das einzige Ziel des absoluten Allwissens und der
Geschäftsführung, dann erreicht er Gott, die Vollkommenheit, anders gesagt, er schließt
sich in ihn ein oder ihn in sich und betritt das Stadium absoluter Handlungslosigkeit oder
der Handlung als Betrachtung der Eigenproduktion, es beginnt ein Stadium der absoluten
"Faulheit", denn selbst ich kann an der Vervollkommnung nicht mehr teilnehmen
– sie ist erreicht. Der Mensch, das Volk oder die ganze Menschheit stellt immer ein Ziel
vor sich auf, und dieses Ziel liegt immer in der Zukunft; ein solches Ziel ist die
Vollkommenheit, die Gott ist, die menschliche Vorstellung malte ihn sich aus und ordnete
sogar die Tage seines Schaffens, woraus hervorging, daß Gott in sechs Tagen die ganze
Welt erbaute, und es versteht sich, daß am siebten Tag die Erholung folgte; wie lange
aber jener Tag andauerte, wissen wir nicht, auf jeden Fall ist der siebte Tag der Ruhetag.
Nehmen wir an, daß der erste Tag eine physische Erholung war, obwohl es in Wirklichkeit
nicht so hätte sein können, wenn er das Universum durch physische Arbeit hätte erbauen
müssen, dann hätte er soviel arbeiten müssen wie jeder Mensch <auch>; offenbar
hatte er aber keine physische Arbeit zu verrichten, folglich mußte er sich auch nicht
erholen. Er hatte sein Schaffen durch die Worte "Es werde" vollbracht. Nach
sechs Mal "Es werde" wurde das Universum in seiner ganzen Vielfältigkeit
erschaffen. Seitdem ist Gott nicht mehr tätig, er ruht auf dem Thron der Faulheit und
betrachtet seine Weisheit. Aber hier stellt sich die Frage, ob Gott wirklich beim
Betrachten keine größere Vollkommenheit gefunden hat<?> Offenbar nicht, denn genau
das ist seine Weisheit, die wir im Universum erblicken. Gott ist in solchem Maße
vollkommen, daß er sich nicht einmal in einem Zustand des Denkens versetzen kann, denn
das ganze Universum schöpft die Vollkommenheit des göttlichen Gedanken aus. Ich habe
schon erwähnt, daß der Mensch nur eine kleine Kopie jener Gottheit ist, die in uns
entstand, und in Wirklichkeit danach strebt, und es gibt bereits viele solcher Menschen,
die die Vollkommenheit einer Handlung durch einen bloßen Gedanken erreicht haben und mit
diesem Gedanken ein ganzes Volk in Bewegung versetzten und Materien dazu brachten, eine
andere Gestalt anzunehmen. Solche Menschen sind bislang als Führer und Ideengeber
präsent, als Hersteller der Vollkommenheit. In gewisser Weise fand jeder Ideengeber mit
seinem Gedanken eine Idee, die früher oder später das ganze Volk aufbegehren läßt und
in neue Lebensbahnen einordnen wird. Der Vollkommenheitsschöpfer, der einen neuen
Körper, eine Maschine oder einen Apparat enfand, wird viele Arbeitshände zu deren
Vermehrung erheben, und die Welt wird eine andere Gestalt annehmen und weitere
Vollkommenheit erreichen. Seine Gedanken erschaffen auch jene Maschinen, die seine Taten
vervielfältigen und den Menschen von der Arbeit befreien. Und da die Vervollkommnung des
Menschen sich weiter fortsetzen wird, wird er natürlich zukünftig Gottes Zustand
erlangen, der durch das "Es werde" die Welt erschuf. Jeder Zar und Regent
bewegte das Leben bloß durch sein "So soll es sein" oder "Es werde". In unserem Leben haben wir auch ein paar kleinere Beispiele dafür,
aber alles, was in der Vergangenheit vervollkommnet wurde, wurde von einem Menschen
gemacht, in der Gegenwart ist der Mensch nicht mehr allein, sondern hat die Maschine, in
der Zukunft wird es nur noch die Maschine oder etwas Entsprechendes geben. Dann wird nur
noch eine Menschheit existieren, die auf dem Thron der vorbestimmten Weisheit sitzt, ohne
Führer, Herrscher und Vollkommenheitsschöpfer. All das wird in ihr sein. Auf diese Weise
wird sich die Menschheit selbst von der Arbeit befreien, Frieden erlangen und in der
ewigen Ruhe die Faulheit entdecken, und sie wird eingehen in das Bild der Gottheit, und
die Legende von Gott als Form vollkommenen "Müßiggangs" wird gerechtfertigt
sein. Im täglichen Leben entwickelt man zur Faulheit ein ganz anderes
Verhältnis, als ich das in meinen Überlegungen ausgeführt habe, und ich würde sagen,
daß das ein seltsames Verhältnis ist. Jedem ist klar, daß sich alle von der Arbeit
befreien wollen und nach Glückseligkeit, Erholung oder einem anderen Zustand streben,
nicht nur um nicht zu arbeiten, sondern auch um diesen Gedanken nicht zum Hindernis bei
der Arbeit am Durchdringen der Naturgeheimnisse werden zu lassen, damit auch dieser zweite
Teil des menschlichen Lebens ebenso vollkommen wird und auf diese Weise alle
Naturerscheinungen transparent werden können. In diese große Vollkommenheit muß der
Mensch eintreten, und er muß all seine Kräfte einsetzen, um diese, seine große
vorbestimmte Macht des Hellsehens und Wissens, zu erreichen. Aber wie seltsam: Dieser
höchste Zustand kann für ihn zum ewigen Zustand werden und es wäre dann so, als hätte
das Leben in ihm aufgehört, denn fortan wird es keinen Kampf mehr geben, obwohl das Leben
nichts als Kampf ist. Aber vielleicht ist das Leben das, was wir Glück und Unglück
nennen, eben nur eine Mißgeburt. Und indem der Mensch den ewigen Zustand des Hellsehens
und des Wissens erreicht, wird er sich aus dem Leben heraus in einen höheren Zustand
bringen, wenn das Universum, in dem sich die Geheimnisse drehen, zur Vollkommenheit seiner
Vollendung wird, und zu all dem die Faulheit führt, die man beschimpft und anprangert.
Und ich glaube, daß dieses Anprangern der Faulheit daher rührt, daß der Weise, der sie
verfluchte und ihr das Zeichen der Schande auf die Stirn drückte, deutlich sah, daß sie
nicht ist, was über sie verbreitet wurde. Und als er sie mit dem Zeichen der Schande
bedeckte, strafte er das Volk Lügen. Aus lauter Feigheit fürchtete er, ihr das wahre
Wesen zu zeigen, fürchtete sich davor zu sagen, daß nur in ihr verborgen liegt, wovon
der Mensch träumt. Das Merkwürdige besteht nun darin, daß man nicht schnellen Schrittes
losgeht, diesem großem Traum der Menschheit näherzukommen, statt ihn zu verfluchen, sich
von ihm zu entfernen und dabei sogar alle seine Erscheinungen unterbindet, sogar durch den
Hungertod unterbindet. So gestaltet sich der Kampf gegen die Faulheit, und dasselbe System
setzt alle Kräfte ein, um sie zu erreichen. Selbstverständlich muß das Erreichen
jeglicher Glückseligkeit mit verschiedenen Vorsichtsmaßnahmen versehen werden, ansonsten
kann die Glückseligkeit ins Verderben führen, und zur Zeit geschieht dasselbe mit der
Faulheit, sie ist der Traum und sie ist das Verderben, und wenn die ganze Menschheit die
"Faulheit" nutzen wollte, wäre sie zum Verderben verurteilt, denn bislang kann
sich nichts von selbst bewegen, noch braucht ihre Produktion ihre Hände, noch ist sie
nicht an die naturgegebene Bewegung angeschlossen. Es stimmt, daß viele Menschen diesen
Zustand schon halbwegs erreicht haben, der mit den Zeichen der Faulheit versehene
Kapitalist kam nur dahin, um seine Muskeln von der Arbeit zu erlösen und begnügte sich
damit, seine Welt, in der die Produktion allein durch gedankliche Befehle vonstatten geht,
zu betrachten und zu verändern; doch selbst die waren nicht immer gänzlich auf die
leichte Schulter zu nehmen. Vor jedem Gedankenwechsel stand die Angst, die Muße zu
verlieren und daraus folgt, daß das kapitalistische System unvollkommen ist. Der
Sozialismus des kapitalismusfreien Systems ist diesem Ziele schon näher, aber am ehesten
ist dieses vollkommenheitsaktive System dabei, die gesamte vorhandene menschliche
Produktion in eine Selbstproduktion zu verwandeln. Die Gefahr, die von der Faulheit
ausgeht, ist groß, denn sie ist eine Kraft, die alles in Nichtsein verwandeln kann, d.h.
das Nichtsein, gegen das der Mensch durch sein Dasein, d.h. durch seine Produktion,
kämpft, wird ihn besiegen; daher bedeutet das Nichtsein eine Gefahr, in der man allen
Wohlstand verlieren wird, u.a. auch die Faulheit, deshalb mobilisiert der Vordenker der
Menschheit alle Kräfte von Mensch und Tier im Kampf gegen das Nichtsein und bestätigt
dadurch sein Dasein, und dieses Dasein braucht er, um die Wonne der Muße zu erlangen.
Diese Wonne oder Faulheit entwickelt sich immer in demjenigen Menschen, der in sich den
Gedanken von der Wohlgeordnetheit des Menschen trägt, normalerweise kommt die ganze
Wohlgeordnetheit des Menschen in seinem neuen Selbstversorgungssystem und seinem
geistig-kulturellen Zustand zum Vorschein. Der Denker selbst denkt natürlich vielleicht
zur gleichen Zeit, wenn er ein neues Wohl für den Menschen schafft, an das System des
Wohlstandes und ahnt nicht, daß er eben an die Faulheit denkt und daß sein ganzes
Wohlstandssystem den Weg vorgibt, der zur Faulheit führt. Manchmal erschafft dieser
Denker des Menschheitswohls ein neues Lebenssystem, wäscht es mit dem Blut des Volkes und
bringt die Hölle auf Erden. Aber so entsteht ein ewiger und neuer Gedanke, und ich weiß
nicht, ob der Denker irgendwann als neuer Ideenstifter vom Volk empfangen wird, ob sich
das Volk in seinem Gesicht selbst oder sein Wohl erkennen oder ob es ihn mit Steinen
bewerfen wird, ohne an seine Vision zu glauben und diese zu töten. Ein solcher Denker
aber bleibt nie allein, und nur deswegen kann ihn keine einzige Regierung als Straftäter
und Kriminellen, der die von der bisherigen Wahrheit etablierte Ordnung verändern will,
töten. Jede Wahrheit trägt auch die Arbeit als Mittel zum Erreichen der Faulheit in
sich, das ist weder dem Volk noch dem Staat klar, und deswegen will eine schon gefestigte
Wahrheit das Neue vernichten. Aber das Neue ist kaum zu bekommen, denn es ist schwierig,
einen Wassertropfen im Meer zu fangen. Wäre das ganze Meer diese neue Idee oder hätte
das Volk die Idee sofort entdeckt, wäre es einfacher, sie ausfindig zu machen und zu
vernichten, aber da die Idee immer ein Tröpfchen ist, kommt man nicht an sie heran. In
der gesamten Geschichte finden sich Belege für diese wundersame Erscheinung, aber aus
irgendeinem Grund nehmen die Regierenden das nie zur Kenntnis, sondern machen sich auf,
diese neue Wahrheit zu besiegen, und jedesmal scheitern sie daran. <Deswegen> findet
der Kampf gegen die Faulheit statt, gegen dieses größte Bild der Menschheit, gegen die
Wahrheit seiner Darstellung. Die ganze Arbeitsphilosophie gründet in der Befreiung der
Faulheit, aber alle denken, daß die Arbeit irgend<einer> anderen Glückseligkeit
dient. Also kann es sein, daß der Name der Faulheit oder "der Mutter aller
Laster" durch mich zum ersten Mal auf den Platz der Menschheit geführt wird, auf
jenen Platz, auf dem man ihr das Schandmal aufdrückte. Und es kann sein, daß ich als
erster das Antlitz ihrer Weisheit oder der Weisheit der Menschheit in ihr berührte und
das Schandmal von ihr entfernte. Möge auf ihrem Gesicht zu lesen sein, daß sie der
Beginn aller Arbeit sei, daß es ohne sie keine Arbeit gäbe. Sie war von Beginn an da,
und durch den Fluch der Arbeit muß sie ihr neues Paradies erst wieder aufbauen. Die
Faulheit macht den Völkern Angst und verfolgt jene, die sich ihrer annehmen; niemand hat
sie jeh als Wahrheit verstanden, nachdem er sie als "Mutter aller Laster"
gebrandmarkt hatte, obwohl sie doch die Mutter des Lebens ist. Der Sozialismus bringt die
Befreiung im Unbewußten und brandmarkt weiter, ohne zu wissen, daß die Faulheit ihn
gebar. Und dieser Sohn brandmarkt sie in seinem Wahn als Mutter allen Lasters, aber er ist
noch nicht derjenige Sohn, der das <Schandmal> von ihr nehmen wird, und deswegen
will ich das mit diesem kleinen Schreiben tun und <sie> nicht zur Mutter der Laster,
sondern zur Mutter der Vollkommenheit machen. Malevic, 15. Februar 1921, Witebsk Aus dem Russischen von Elena Nowak und Sylvia Sasse
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