Beginnen wir mit einem Streich,
einem Handstreich, und behaupten, daß das Phänomen MTV (das wir als
repräsentativ für eine Sende(r)form Musikkanal ansehen, und das wir auf Grund der
Vorreiterrolle des englischsprachigen Kanals wählen) als narrative Form lesbar ist, als
Erzählung, als Saga, als récit. Legitimieren wir diesen Streich, indem wir
verweisen auf die Länge der Erzählung, das zeitgrenzen-, endlose Phänomen MTV --
hier nämlich unterscheidet es sich, so argumentieren wir, von in formal unterschiedliche
Einheiten unterteilbare Programme anderer Kanäle, deren Sendeplätze eingenommen
werden von Formen wie Spielfilmen, Nachrichtensendungen, Magazine etc., die ihrerseits
narrativen Charakter besitzen können (etwa Spielfilme), aber deswegen nicht das
Programm oder den Sender zur Erzählung machen.
Das Phänomen MTV kennzeichnet, daß es
fast ausschließlich eine einzige Form aufweist: Musikclips. Es handelt sich, um
die Analogie zu (re)affirmieren, um einen tendenziell infiniten Roman oder Spielfilm,
unterteilt in Kapitel oder Sequenzen, wie sie in der (tag- oder wochenspezifischen)
Programmstruktur zum Ausdruck kommen. Und deren Arrangement abhängt von Faktoren
wie Publikumsresonanz und Einschaltquote -- wie Charles Dickens seine frühen
(Fortsetzungs-)Romane schrieb, indem er zwischen den Phasen des Verfassens Leserreaktionen
einholte, um den weiteren Verlauf der Handlung entlang des ihm in diesen
Rezipientenreaktionen entgegentretenden Urteils zu konzipieren, verschieben und
modifizieren Musikkanäle Sendeplätze. Wie jeder Roman auf einer in schriftlicher Form
vorgelegten Aneinanderreihung von Szenen und -- auktorialen oder figuralen -- Reflexionen
besteht, wie jeder Film als kleinste Einheit den auf Zelluloid gebannten take
aufweist, so besitzt das Phänomen MTV als Keimzelle: mit Hilfe elektronischer
Aufnahmeverfahren entstehende Musikclips. Wie der Roman Gebrauch macht vom
mnemotechnischen, gleichzeitig eine Redundanz verkörpernden Hilfsmittel der Wiederholung
zum Zweck, das Lesergedächtnis zu unterstützen, so wiederholen sich die Clips. Und die
Werbeeinlagen. Wobei wir Werbespots nicht als eine dezidiert andere Form als
die der Clips selbst ansehen, im Gegenteil: Ihrem Aufbau nach (Dauer, Schnittechnik)
ähneln sich Clips und Spots auf verblüffende, möglicherweise beabsichtigte Art und
Weise.
Das Phänomen MTV ähnelt also narrativen
Erscheinungsformen in formaler Hinsicht mehr als "herkömmliche" Sender
-- weil es einen Formenmangel aufweist, keine Formenvielfalt an Sendeformen
offeriert, somit Brüche besitzt, sondern sich im Gegenteil monokulturistisch
beschränkt auf Clips, wie sich der Roman notwendig zu beschränken hat auf die mehr oder
minder extensive, in schriftlicher Weise erfolgende Darlegung von Ereignissen. Zu klären
wäre damit zunächst, ob sich diese für den Verlauf dieses Aufsatzes hypothetisch
anzunehmende Parallele erweitern läßt auf diejenigen Bereiche, die Erzählformen auch
ausmachen, sprich: Vehikel zu sein für Inhalte, Gehalte, für Sinn und
Bedeutung, die sich ergeben aus der besonderen Konstellation, der Roman-bzw.
Filmstruktur (Teil I). Die Bejahung dieser Frage wirft die Notwendigkeit auf, nach
Paradigmen Ausschau zu halten, innerhalb derer sich die Erzählung MTV beschreiben ließe,
und die die Konsequenzen aus dem konstatierten Mangel von auch
"Bedeutungsfülle" oder präsupponiertem Gehalt ziehen. Zwei derartige Modelle
sollen Veranschaulichung finden, die beide auf der Erkenntnis basieren, daß das Phänomen
MTV ein eigenständiges, jedoch irreduzibel Anderes repräsentiert, bringt man es
mit den geläufigen hermeneutisch informierten Zugehensweisen in Kontakt, und das aufgrund
dessen eine besondere Art von Signifikanz im/für den Zuschauer bereitstellt (Teil II).
Zu klären wäre vorab, welches
theoretische Instrumentarium wir heranziehen, um es für unsere Zwecke methodisch
verfügbar zu machen. Baudrillard sagt: "Es gibt keine Medientheorie", also
keine medienübergreifende Vorlage reflektierenden Charakters. Wohl gibt es
Literatur- als auch Filmtheorien, und auf Grund der besonderen Art der Fragestellung (die
eine hermeneutische ist, eine bedeutungssuchende, die sich auf die Kunst des
Interpretierens zu verlassen hat, u.a. weil es keine verbindliche
medienspezifische, keine Clipbedeutungstheorie gibt), werden wir auf die
entsprechenden Vorgaben aus dem literaturwissenschaftlichen Bereich sowie auf eine weitere
zurückgreifen, die sich entgegen des Diktums Baudrillards dennoch als
"Medientheorie" ansehen läßt: der von einem ikonographischen Interesse
geleitete, in diesem Sinne historiographisch-typologisierend vorgehende Ansatz Lambert
Wiesings. Trotz des unübersehbar höheren Grades an medialer Verwandtschaft verzichten
wir mithin auf filmtheoretische Beiträge, etwa den filmsemiotischen Ansatz von Christian Metz(1). Im besonderen konzentrieren wir uns, da sich
Bedeutungspotentiale in der Literatur erst im Akt des Rezipierens in Aktualisierungen
wandeln und Konkretheit erlangen, auf die entsprechenden lesetheoretischen Vorgaben
Wolfgang Isers.
Wir deuteten bereits an, daß das Phänomen
MTV solche Zugangsweisen subvertiert: Es kommt zu einer Inversion von
"Gegenstand" und Theorie -- ersterer erweist sich als nicht mehr im Rahmen des
Ansatzes Isers beschreibbar. Der Grad an Rezipientenpartizipation geht über das hinaus,
was Isers Konzept noch zu fassen in der Lage ist. Die Bedeutung des Phänomens MTV besteht
darin, eine Erfahrung machen zu können, die an den Grundfesten hermeneutischer
Beschreibbarkeit rüttelt (und als hermeneutisch charakterisiert Iser selbst seinen
wirkungstheoretischen Ansatz). Die Bedeutung des Phänomens MTV ist es, als emblematisch
für die Verabschiedung von einer Kategorie und der mit und an ihr entstandenen Tradition
zu stehen: der von Erzählungen. Die Bedeutung des Phänomens MTV ist eine dezidiert
nachhermeneutische, oder auch: postmoderne, eine des Verinnerns, eine der
rezipientenseitigen Ver-Innerlichung in die "Weite" einer -- gänzlich neuen
-- Art von Erzählung. Unsere These: MTV, als diese "Erzählung", nimmt
zum einen den Rezipienten in sich, seinen Funktionsmodi auf, die nicht mehr den tradierten
entsprechen, dennoch, eben als Phänomen, unbetritten existieren -- zum anderen
führt MTV ihn zu sich. MTV repräsentiert auf Grund ihm fehlender
Konstitutionsmerkmale herkömmlicher Art (Inhalt und "Bedeutung" als sich aus
der inhärent-präparativen, erzählungsimmanenten Strukturierung von
"Informationen" ergebendes, "intentionales" Sinnpotential) eine
eklatant andere Erzählung, steht somit zugleich für das Ende der
konventionellen, wie auch, als solche, exemplarisch ein für eine neue Art
einer "großen Erzählung". MTV wird, um Jean François Lyotard
aufzurufen und ihn gleichzeitig auf sich selbst anzuwenden, zum Sinnbild jener grand
récit der "Postmoderne", in die das Individuum als Rezipient
hineinpositioniert, verinnert wird: direkt, unmittelbar, "selbst". In diesem
Sinne verstehen wir das Phänomen MTV als kataklysmisch, als herkömmliche Raster der
Bedeutungsgenerierung unterminierend und gleichzeitig die daraus resultierende
Vakanz annektierend -- MTV führt nicht nur einen Streich aus, sondern symbolisiert
in einem auch einen Handstreich. I. Der Clip, der Spot, die
"Moderationen" und die wirkungsästhetische Perspektive We've got to install microwave ovens,
custom kitchen deliveries
We've got to move these refrigerators,
we've got to move these colour TVs
Dire Straits, Money for Nothing (1985)Marshall McLuhan differenziert
zwischen heißen und kalten Medien -- zwischen Mikrowellenherd und Kühlschrank. Der Film
und das Buch gelten ihm als heiße Medien, das Fernsehen hingegen als kaltes
Medium. Fragwürdig wie diese Zuschreibung im Zeitalter fortgeschrittener
Fernsehtechnologie anmuten mag (der Grad des Auflösevermögens von Fernsehapparaten, v.a.
Großleinwandgeräten, kann längst als vergleichbar mit dem des Films angesehen werden),
läßt sich diese Differenz dennoch hinsichtlich der Definition dessen, was heiß/kalt
meint, aufrechterhalten bzw. in lesetheoretische Axiome übersetzen. Kalte Medien weisen
in sich einen hohen Grad an Unbestimmtheit auf, die es durch leserseitiges Komplettieren
bzw. Kombinieren zu kompensieren gilt. McLuhan trifft die Leseforschung:
A hot medium is one that extends one single
sense in 'high definition'. High definition is the state of being well filled with data. A
photograph is, visually, 'high definition'. A cartoon is 'low definition', simply because
very little visual information is provided. [...] And speech is a cool medium of low
definition, because so little is given and so much has to be filled in by the listener. On
the other hand, hot media do not leave so much to be filled in or completed by the
audience. Hot media are, therefore, low in participation, and cool media are high in
participation or completion by the audience(2).
Isers Begriffsbestimmung von Leerstellen
läßt sich hier einpassen. Es handelt sich um textseitig gegebene Unvollständigkeiten,
"die als bestimmte Aussparungen Enklaven im Text markieren und sich so der Besetzung
durch den Leser anbieten" (3).
Iser macht dabei deutlich, daß es sich bei Leerstellen um mehr als bloße
"Textlücken" handelt, da sie als auf der relationistischen Ebene von
Textkomponenten anzusiedeln sind:
Die Leerstellen sparen die Beziehungen
zwischen den Darstellungsperspektiven des Textes aus und ziehen dadurch den Leser zur
Koordination der Perspektiven in den Text hinein: sie bewirken die kontrollierte
Betätigung des Lesers im Text(4).
Dies kommt auch zum Ausdruck, wenn Iser
"Leerstelle" von den Ingardenschen "Unbestimmtheitsstellen"
unterscheidet, die grob vereinfacht dem entsprechen, was wir soeben als
"Textlücke" benannt haben:
Leerstellen indes bezeichnen weniger eine
Bestimmungslücke des intentionalen Gegenstandes bzw. der schematisierten Ansichten als
vielmehr die Besetzbarkeit einer bestimmten Systemstelle im Text durch die Vorstellung des
Lesers. Statt einer Komplettierungsnotwendigkeit zeigen sie eine Kombinationsnotwendigkeit
an(5).
Halten wir uns einen Moment länger bei
Iser auf und gehen ein auf sein Verständnis dessen, was "Lesen" von
"Texten" für ihn bedeutet bzw. worauf es abstellt: auf "die im Lesevorgang
erfolgende Konsistenzbildung" (6). Auch wenn
Konsistenzbildung anhand der vom Text offerierten Komponenten (wie etwa im von Iser
angeführten Beispiel Ulysses von James Joyce) mißlingt, kommt es deswegen
nicht zu einem Abrücken vom Primat dieser; an Stelle eines Parameter- oder
Paradigmenwechsels wird am "Schema Konsistenzbildung" festgehalten; diese verlagert
sich lediglich -- fort von der Text-Leser-Interaktion, hinüber zum ausschließlich dem
Rezipienten vorbehaltenen Beitrag: "Wenn der Roman das Zusammenspiel seiner
Blickpunkte verweigert, zwingt er den Leser zu einer eigenen Konsistenzbildung"
(7). Der Akt der Konsistenzbildung stellt also ab auf das Produzieren
dessen, was Eagleton kritisch als "sinnvolles Ganzes" bezeichnet(8) -- damit ist sowohl eine Brücke zu Isers Verpflichtung gegenüber
tradiert-hermeneutischen Ansatzweisen geschlagen, als auch eine Grenze seines
eigenen Modells aufgezeigt. Es gibt, so die hier zum Vorschein gelangende erste
Annahme, immer die Möglichkeit, ein abgeschlossenes Gesamtes aus einem Text
herausinterpretieren zu können (dies konvergiert mit den Postulaten der Hermeneutik, der
"Kunst der Interpretation"). Und es gibt nichts jenseits der gezogenen
Grenze, innerhalb derer sich dieses Gesamte konturiert. Es gibt keine jenseitigen Sinn,
keine Bedeutung in jenem Außen festzumachen; es gibt nichts Ent-grenztes,
kein Loch, wenn es ohne Rand daherkommt: Ganzes -- oder gar nicht(s). I want
my MTV -- as a whole, and not as a hole.
Leerstellen, als Interventionspunkte für
die leserseitige Kombinationsleistung zum Zwecke der Herstellung von Konsistenz, ergeben
sich aus dem je spezifischen Geflecht von syntaktischen, semantischen und pragmatischen
Vorgaben, wie sie der "Text" zu Verfügung stellt(9). Die syntaktische Reihung des Phänomens MTV besteht aus Videoclips,
Werbespots und "Moderationen" sowie, im (zeitlich) weitergefaßten Sinne, aus
der Programmstruktur entsprechenden "Sendungen". Die "Einheit" der Sendung,
den Kapiteln innerhalb von Prosaerzählungen korrelierend, fächert sich auf in
"Handlungsteile" (Clips und Spots) sowie diese miteinander verbindende Sequenzen
einer "Erzählinstanz". Diese Einheiten lassen sich hinsichtlich ihres
semantischen, aber auch ihres pragmatischen Potentials isoliert voneinander betrachten --
Clips werden konsumiert, Spots sollen zu Konsum anregen,
"Moderationen" dieses offenkundige ökonomische Bestreben nach Möglichkeit
weiter befördern (etwa durch entsprechendes Styling der ModeratorInnen), zumindest aber
nicht weiter behindern. Moderationen sind in diesem Sinne keine
"Erzählerkommentare" (was eine den reibungslosen syntaktischen Ablauf je nach
dem irritierende, weil potentiell die Erzählung als Erzählung thematisierende
Komponente implizierte), sie sind "neutral" und besitzen über die bloße
Tatsache ihres "Und"-Charakters keinerlei bedeutungsgenerierende
Strukturierungsqualität. Sie weisen selbst keine Signifikanzen zu, allenfalls dienen sie
als selbst "leeres" temporal-syntaktisches Ordnungsprinzip. Insofern
stehen sie ein für den fehlenden "helfende[n] Wink des Autors" -- was
entgegen ihrer "Einfachheit" die Erzählung selbst für den Rezipienten höchst
kompliziert, weil komplex macht, wie Iser mit Blick auf Ulysses konstatiert:
Die angebotenen Perspektiven stoßen
unvermittelt aneinander, überlagern sich, sind segmentiert und beginnen gerade durch ihre
Dichte den Blick des Lesers zu überanstrengen. [...] Die Dichte des Darstellungsrasters,
die Montage und Interferenz der Perspektiven, das Angebot an den Leser, identische
Vorkommnisse aus vielen, einander gänzlich widerstreitenden Blickpunkten zu sehen, macht
die Orientierung zu einem Problem. (10)
So evoziert die infinite Aneinanderreihung
von Clips und Spots, sodann von Sendung an Sendung, ein Orientierungsbedürfnis, ohne daß
dieses von der Moderationskomponente der Erzählung MTV beigesteuert wird. Diese
verweigert sich einer derartigen Funktion, negiert eine dementsprechende Erwartung
-- und tritt somit letztendlich ihre potentielle semantische Strukturierungsleistung ab an
den Rezipienten. Der sieht sich, anders formuliert, dadurch aufgefordert, auf einen Bruch
mit ihm geläufigen "Konventionen", auf das von Seiten der Erzählung nicht in
Anspruch genommene "Repertoire" zu reagieren(11). Negationen, als Leerstellen, fordern zu eigener hermeneutischer
Kombinationstätigkeit heraus; der Rezipient fühlt sich herausgefordert, "das in der
Negation Verschwiegene zu entdecken" (12) -- die kritisch gewordene "übliche" Art der
Konsistenzbildung. Die hier angedeutete besondere, negative Qualität der
Moderationen trägt also dazu bei, die Kombination eines "sinnvollen Ganzen" dem
Leser zu überantworten.
Sinn und Bedeutung im hier verstandenen,
also dem traditionell hermeneutischen Sinne lassen sich, wenn sie nicht aus den
Moderationsbeiträgen ersichtlich werden, möglicherweise aus den anderen Komponenten der
Erzählung MTV destillieren, wobei sich Clip und Spot auf Grund der eingangs erwähnten
formalen Ähnlichkeit hier parallelsetzen lassen. An dieser Stelle wollen wir die Vorgaben
Lambert Wiesings in die Diskussion einbringen, die sich um eine theoretische Fassung des
Phänomens "Videoclip" bemühen (13).
Wiesing bezweifelt, im Clip noch eine Bedeutungsdimension im traditionellen, etwa
semiotischen Sinne ausfindig machen zu können -- er positioniert sich damit gegen eine
hermeneutische Erschließbarkeit dieser Komponente unseres Gegenstandes, wie sie Grundlage
für den wirkungstheoretischen Zugang Isers war:
Es geht um die Zurschaustellung des
Auffassung, daß ein Bild nichts anderes als reine Sichtbarkeit ist; es gibt nichts zu
verstehen und dementsprechend wenig Ansatzpunkte für eine Hermeneutik. Der Clip dient der
spielerischen Selbstdarstellung des bildlichen Mediums. Wenn es überhaupt eine
Bedeutungsdimension des Clips gibt, dann nur die [...] mediale Selbstreflexion
(14).
Wiesings Argumentation, daß mit dem
Begriff des Zeichens, wie er im semantischen Kontext Objektreferenz, im syntaktischen
Bezugnahme zueinander implizierte, zugleich die Möglichkeit verschwindet, einen
"Inhalt", gar einen "bedeutenden" Inhalt vorfinden zu können, bezieht
sich auf Charles W. Morris' Modell des "formativen Diskurses". Diesen zeichnet
aus, daß von einer Verwendung von Zeichen ("Formatoren" oder
"Lexikatoren") weitgehend abstrahiert werden kann:
Im formativen Diskurs kann die Bedeutung
von Zeichen auch durch den Umgang unwichtig werden. Deshalb muß ein formativer Diskurs
nicht allein aus Formatoren bestehen. [...] Im formativen Diskurs wird ein vorhandener
Inhalt irrelevant. Ob der Syllogismus mit Begriffen oder inhaltsleeren Variablen
geschrieben wird, ist daher unerheblich(15).
Der Clip stellt einen solchen formativen
Diskurstyp dar; in ihnen erscheint es "unmöglich, eine schnelle Bildsequenz als die
Darstellung eines Inhalts zu betrachten oder in der Weise als ein Zeichen zu lesen, wie
man es bei einem erzählenden Film gewohnt ist" -- kurz: "Clips entwickeln keine
Geschichte und klären über keinen Sachverhalt auf" (16). Es ist mit anderen Worten die Geschwindigkeit, mit der im
Clip Bild auf Bild folgen kann (und folgt), die dazu beiträgt, "eine
gegenständliche Interpretation des Bildes auszuschalten"
(17). Die Gegenständlichkeit, als das bildliche
Äquivalent zum Schriftzeichen in der Literatur hier Voraussetzung allen
hermeneutisch-interpretatorischen Zugangs, versinkt im speeding-up der
Einstellungssequenzen, ist für das Rezipientenauge nicht mehr wahrnehmbar, denn:
Das Prinzip des Clips ist der Zeitmangel
[...]. Man gibt dem Betrachter keine Zeit, das Bild als Abbild zu nehmen. Es gilt
vielmehr, gerade soviel Zeit zu gewähren, wie ausreicht, um zu sehen, daß eine
inhaltliche Betrachtung möglich wäre, wenn eben die Zeit da wäre(18).
Damit läßt sich der Videoclip als
formativer Diskurs begreifen als "der Versuch, die reine Sichtbarkeit von Bildern vor
einer inhaltlichen Deutung zu bewahren" (19) -- es handelt sich um eine einzige, riesige Leerstelle. Clips weisen
einen hohen Grad an Unbestimmtheit auf, weil sie eine für die Rezipientenwahrnehmung zu
hohe Dichte an aufeinanderfolgenden Bildern besitzen, weil sie zu "schnell
geschnitten" sind, weil zu rasch das eine Bild auf das andere folgt.
Interpretatorische Gewißheit ließe sich nur erlangen, die Voraussetzungen für
bedeutungskonstitutive Akte wären nur gegeben mit Hilfe eines "freeze":
Das Stoppen eines Clips erzeugt
Bestimmtheit. Aus dem formativen Diskurs der vorbeirauschenden Bildsequenz, aus dem
formalen Spiel der reinen Sichtbarkeit wird ein einzelnes Standbild mit Stil und Referenz(20)
-- dies aber ist verunmöglicht durch das
autonome, sprich: nicht interaktiv angelegte Wesen der Clips. Das Phänomen MTV ist
vom Rezipienten ebensowenig zu manipulieren wie der von seinem Autoren autorisierte
Text einer Erzählung.
Clips und Spots negieren somit durch ihren
formalen Aufbau, die Geschwindigkeit ihrer Bildabfolge, eine Referenzialisierbarkeit, die
ihrerseits unabdingbare Voraussetzung für eine Verortung von Bedeutungspotentialen ist.
Sie plazieren sich mit dieser Art der Verweigerung neben die Negierung einer
strukturalisierenden, Sinn- bzw. Bedeutungsderivierung ermöglichenden Funktion der
"Moderationen". Das Phänomen MTV erweist sich als eine Erzählung, die eine
einzige Negation ist. Verstärkt wird dieser Eindruck durch seinen im Gegensatz zu
herkömmlich-narrativen Erzählungen aufscheinenden Charakter des Unabgeschlossenen,
des Infiniten -- es gibt keine Grenze, keinen Rahmen, der es zumindest erleichtern würde,
von einem "Ganzen" (wenn auch nicht von einem "sinnvollen Ganzen") zu
sprechen. Die Erzählung MTV ist immer unbeendet, unbeendbar, somit akkumulativ und
in stetem Wachstum ihrer Komplexität begriffen. Ganz offenkundig unterscheidet sie sich
von konventionelleren Erzählungsrastern, welche sie nicht mehr repräsentiert. Ist
sie als Erzählung, wie wir darlegen, Leerstelle oder "Negation", "[s]o
verortet die Negation den Leser", wie es Iser zum Ausdruck bringt, in der Tat
"zwischen einem 'Nicht Mehr' und einem 'Noch Nicht'" (21). Dieses "Noch Nicht" formuliert Iser aus gutem Grund an
keiner Stelle aus -- weil es notwendig seinen eigenen Impetus unterlaufen muß, da es jene
von der Hermeneutik implizit selbstgezogene Grenze übersteigt, außerhalb derer es keine
Bedeutung festzumachen gibt. Das "sinnvolle Ganze" ist im Erzählungsinneren
auszumachen ebenso, wie es innerhalb bestimmter Limitierungen dessen festzumachen
ist, die das interpretierende Selbst setzen zu können meint. Das "Ganze" ist,
so oder so, in einem "Innerhalb" -- von Text-Leser-Interaktion oder zumindest,
"einseitig", innerhalb der leserseitig bestehenden hermeneutischen
Präsuppositionen. Oder es ist nicht(s). Was aber, fragen wir uns, wenn dieses "Noch
Nicht" aus einem für die Hermeneutik unfaßbaren, unvorhergesehenen, dennoch
existenten Außen, einer Bedeutung jenseits dieser selbstgezogenen Grenzen besteht,
einem "Loch" innerhalb des hermeneutischen Erwartungshorizontes -- einem Außen,
das zu einem Innen wird, noch-nicht-aber-bald-und-zwingend, weil es/und den Interpreten
verinnert? Ein "Ganzes", das den Namen nur dann verdienen kann,
noch-nicht-aber-bald, wenn es sich bezieht auf den ganz in ihn eingehenden, sich
ganz, mit seinem ganzen Selbst in ihm wiederfindenen Rezipienten, und das in all seiner
Unendlichkeit und Weite und Größe ebenfalls, so hat es den Anschein, die hier zur
Debatte stehende Erzählung MTV ist? II. Der Thermische Musiksender A man makes a picture
a moving picture
through light projecting
he can see himself up close.
U2, Lemon (1993)Wir behaupteten, daß sich hermeneutisch
motivierte Rezipienten einen Film fahren -- denjenigen, in dem sie als autonome
Interpretationsinstanzen, als "Gegenüber" zu einem "kühlen",
deswegen ihre konsistenzausgerichtete Kombinationsnotwendigkeit erfordernden Medium
agieren. Wir behaupten nun, daß dieses Selbstverständnis vor dem Hintergrund des
Phänomens MTV und den hierüber angestellten Reflexionen einer Selbstverblendung
gleichkommt -- an die Stelle von Distanz zum Phänomen kommt es zu einem Erkennen
ihrer selbst vermittels bzw. wörtlich in der Form MTV. Die spekulare
Großprojektion markiert den Akt des Ankommens im "Noch Nicht".
Der von der hermeneutisch informierten
Lesetheorie konturierte Rezipient residiert in einem "Innen", das er als solches
nicht wahrnimmt -- für ihn ist es absoluter, exklusiver Modus der Welt-, hier spezifisch:
der Texterfassung. Führen wir aus seiner Warte die Insignien des besonderen Textes, der
Erzählung MTV, zusammen: Sie war Negation seines interpretatorischen
Erwartungsrepertoires insofern, als daß sie sich nicht im Sinne eines "Ganzen"
begreifen ließ, sich in keine seinen Vorgaben entsprechende "konsistente" Form
fügen ließ. Das Dilemma dieser Situation wird deutlich, rekurriert man auf die implizite
Voraussetzung einer solchen leserseitigen Annahme, die insofern unerläßlich ist, als sie
den Allgemeingültigkeit (Exklusivität) postulierenden Habitus einer solchen Art des
Rezipierens erst legitimiert: sinnvolles "Ganzes" -- oder gar nicht(s). Das
Phänomen MTV dagegen ist nicht ein solches "Ganzes" (es ist eben statt
dessen: Negation), damit ist es aber längst nicht umkehrschlüssig auch: gar nicht(s).
Denn als Phänomen -- ist MTV. Unabhängig von der Frage nach seinem Status
als "Ganzes" gilt: MTV ist "nicht" -- und nicht: MTV ist nicht(s).
Dies zeitigt irreversible Rückwirkungen
auf das angedeutete Selbstverständnis des prototypisch-hermeneutischen Rezipienten, denn
sein Grundaxiom, "Ganzes" -- oder gar nicht(s), ist somit außer Kraft
gesetzt. Es gibt, so die hieraus sich ergebende Einsicht, nicht "Nichts"
außerhalb der eigenen logischen Wahrnehmungs- und Interpretationsweise -- es gibt
statt dessen, "logisch", in der Tat: ein Außen, sozusagen ein
nicht-negierbares, "positives" Externes, das dem eigenen Verfahrensmodus als
Phänomen, aber auch seinerseits als Modus, nämlich dem seines Außen-Daseins,
entgegensteht. Das (An)Erkennen eines oppositional arrangierten Außen und der von
hier Ausgang nehmenden Rückwirkungen auf die eigene, "innere"
Interpretationsweise, das (An)Erkennen der Tatsache des Innenseins selbst, das
(An)Erkennen des nicht mehr vorhandenen interpretatorischen
Ausschließlichkeitsanspruchs macht aus, was Iser abstrakt "Noch Nicht" genannt
hatte, ohne selbst zu einer Konkretisierung dieses Terminus beitragen zu können. Diese
von der Negation MTV ausgelöste Einsicht des Verinnerns, des InnenWerdens im
Gegensatz zu einem Außen, das MTV selbst mit seinem dialektischen Diskurs von
Hermeneutikrepertoire-Negation auf der einen Seite und Nicht-Nicht(s) auf der anderen
darstellt, macht, so unser Zwischenfazit, die Signifikanz des Musiksenders als Erzählung
für den Betrachter aus. Daß dies eine gänzlich andere Form von Bedeutung ist als
diejenige, die der Betrachterprototyp erwartet haben mag, liegt auf der Hand, und es wäre
den Versuch wert, eine theoretische Grundlage zu finden, die in Ersetzung der
offensichtlich unzureichenden hermeneutischen diesen Kataklysmus des Begriffes
"Bedeutung" adäquater zu fassen vermag(22).
Sicherlich fließt eine Erfahrung, genauer: eine Kontrasterfahrung in das mit ein,
was nun die Signifikanz ausmacht, die sich aus der Konfrontation von Erzählung MTV und
Rezipient ergibt. Reduziert auf eine Seite einer Unterscheidung, d.h. nicht mehr in der
Lage, das eigene Vorverständnis und die eigenen hermeneutischen Prämissen als absolut zu
betrachten, ist dem seine Lage reflektierenden Rezipient zumindest die Möglichkeit
gegeben, sich selbst zu erfahren, als "Innen" bzw. "verinnert",
eben anhand des Unterschiedes zu jenem anderen "Außen". Er verspürt
sich und seine Präsuppositionen im Kontrast zu dem plötzlich erkannten Kontext, den das
"Außen" für ihn repräsentiert(23).
Wir möchten abschließend unter Bezugnahme
auf eine zweite Bedeutung des Begriffs "Verinnern" noch auf eine zweite,
ebenfalls den hermeneutischen Prämissen außenstehende Art von Signifikanz verweisen.
Hierzu ist es erforderlich, nochmals auf jene Phase vor der Ausdifferenzierung
entlang der Innen/Außen-Unterscheidung zurückzugreifen. MTV als Negation bzw. als eine
einzige, infinite Leerstelle, präsentierte sich im Sinne McLuhans als unterkühlte
mediale Form, die einen maximalen Grad rezipientenseitiger Involvierung forderte. Als
Erzählung zeichnete das Phänomen MTV das gänzliche Fehlen "eigener"
bedeutungsevozierender Komponenten im tradiert-hermeneutischen Sinne aus, was umgekehrt
vom Rezipienten eine "high participation", wie McLuhan es nannte, voraussetzte. Mit
der Realisierung der grundsätzlichen Unmöglichkeit (oder Unfähigkeit), diesem
Anspruch gerecht zu werden und MTV zu einer "Erzählung" im herkömmlichen Sinne
zu machen (was interpretativ erlangte Gewißheit ebenso umfassen würde wie das Erlangen
eines "Abschlußes", einer "letzten Seite", die jene Erzählung
"beendet") geht jedoch zwangsläufig auch das Aufgeben der "hochgradigen
Beteiligung" des Rezipienten einher(24).
MTV besitzt in diesem Sinne nun nicht mehr den Status einer "kalten" medialen
Form -- aus Sicht des Rezipienten beginnt die Erzählung MTV, sich, der McLuhanschen
Metaphorik entsprechend, zu erwärmen. MTV als thermische, thermodynamische
Erzählung.
Wir wollen an dieser Stelle genau
differenzieren. Nicht MTV, die mediale Form, die Erzählung erwärmt sich, sozusagen aus
sich heraus -- es ist der Rezipient, in dessen Empfinden sich mit der Einsichtnahme
in die Insuffizienz seiner tradiert-bedeutungssuchenden Herangehensweise an diese
Erzählung etwas wie "Erwärmung" dieser einstellt. Die kataklysmische
Erkenntnis, daß MTV eine in diesem Sinne "unbedeutende", insignifikante, im
wortwörtlichen Sinne bedeutungslose, aber letztlich doch eine Erzählung
repräsentiert, stellt so etwas wie einen Reiz für den Betrachter dar, sich in seiner
Rezipientenhaltung umzustellen auf "low participation" -- er selbst macht
somit die Erzählung MTV erst zur "heißen" medialen Form, da die
Gegenstrategie, MTV als "kalte" Erzählung zu erachten, nur zu einem negativen
Resultat führt.
Wieder ist damit eine Negation im Spiel,
diesmal auf Seiten des Rezipienten, ausgelöst durch die Negation, die die
Erzählung MTV ist, und zugleich ausgelöst vom Rezipienten selbst -- es handelt
sich um eine Sequenz von Negationen, die letztendlich bewirkt, daß zum einen der Status
des "Uninterpretierbaren" der Erzählung sowie ihre komplexe,
leerstellengesättigte Natur aufrechterhalten bleibt -- sie erscheint nun in diesem
Sinne "hochaufgelöst", "well filled with data", wie es McLuhan
ausdrückt. Zum anderen, Rückwirkung dieser Feststellung auf den Rezipienten,
provoziert sie diesen, eine Haltung "niedriger Beteiligung" einzunehmen. Wir
sind uns bewußt, daß ein solches Fazit, zumindest an dieser Stelle, widersprüchlich
anmutet, da nun Erzählung wie auch Rezipientenhaltung dem zu entsprechen scheinen, was
für leerstellenarme (oder, wie Barthes es formuliert: für "lesbare")
Texte gilt -- dem aber im Fall der Erzählung MTV mitnichten so ist. "Low
participation" im Sinne einer zerstreuten, kursorischen, "unkonzentrierten"
Wahrnehmung, die sich rechtfertigen ließe durch Oberflächlichkeit und eingängige
Konsumierbarkeit der Erzählung, mag eine "real(istisch)e" Betrachtereinstellung
gegenüber MTV sein -- es würde aber gleichzeitig die hier dargelegten Implikationen, die
MTV als mit dem Potential zu Umschwüngen und Kataklysmen in der Rezeptionshaltung
versehen betrachten, unberücksichtigt lassen und damit seinerseits oberflächlich
erscheinen.
"High definition" der Erzählung
MTV impliziert nun vielmehr nicht "einfache Konsumierbarkeit", sondern Dichte
bzw. Weite (letztgenannter Terminus sagt uns deswegen mehr zu, weil in ihm auch die
zeitliche Dimension mitanklingt, die angesichts des infiniten Charakters der Erzählung
von Belang ist). Und "low participation" bedeutet nun nicht "einfaches
Konsumieren", sondern vielmehr das unumgängliche Herunterfahren, die Reduzierung der
Rezipientenautonomie angesichts der "viel autonomer" erscheinenden,
mächtigeren, größeren Weite einer Erzählung. Das rezipierende Selbst nimmt deswegen
weniger teil, weil es, als Selbst, nunmehr nur noch "weniger" einbringen
kann. Es ist weniger als vor dem Handstreich, den die Erzählung MTV mit seiner
freigesetzten bzw. ent-deckten "Außen"-Existenz durch und an ihm verübt hat --
weniger, weil der eigenen maximalen Autorität, die seinem hermeneutischen
Selbstverständnis eingangs unterlag, verlustig gegangen ist.
Wir formulierten weiter oben, daß es
nunmehr ein "Innen" (des Rezipienten) und ein "Außen" (der Erzählung
MTV und der ihr inhärenten, zumindest an sie geknüpften Fuktionsmodi) gibt. Wir
formulieren jetzt eine alternative Version des kataklysmischen Hergangs, die uns zu
einer ebenfalls alternativen Version der nicht-hermeneutischen "Bedeutung"
führt. War es vorhin die Kontrasterfahrung und das damit verbundene Selbstverspüren des
Rezipienten, das die "neue" Bedeutung angesichts der Konfrontation mit der
Erzählung MTV ausmachte, so ist es nun eine Kollapserfahrung, aus der --
möglicherweise -- eine Selbst-Erfahrung hervorgeht. Oben war es ein Verinnern des
rezipierenden Selbst -- hier ist es ein Verinnern des rezipierenden Selbst in die Weite
der Erzählung.
Mit der Etablierung eines
"Innen-Außen-Verhältnisses" ist es uns gegeben, beide Weisen "von
innen" zu betrachten -- also auch diejenige, die zwar aus einer Negation hervorging,
aber gleichzeitig nicht Nichts war. Dieses "Innen" ist es nämlich, das
das andere, bislang "zentralperspektivisch" verwendete (das also bis hierher
nach "innen" und "außen" unterscheidende) "Innen" des sich
nun nachhermeneutisch gerierenden Rezipienten in sich verinnert. Es in seine
hochaufgelöste Dichte einfügt, und ihm somit anträgt, diese Erkenntnis, Variante
# 2 des "Verinnerns", als bedeutend zu erachten. Das "andere
Innen", das nicht identisch ist mit der Erzählung MTV und allenfalls als ein
bestimmter Effekt dieser gesehen werden darf, läßt das rezipierende Selbst in
seiner Größe kollabieren -- einer Größe, die eine "Weitung" des Spektrums
ist, und die resultiert aus den inkommensurabel zueinander positionierten Erwartungen
an eine Erzählung und dem konkreten Erscheinungsbild der Erzählung MTV selbst. Einer
Größe, die eine méta-récit zu den beiden soeben erwähnten Erzählungen
darstellt ... oder eben eine grand récit, trotz allem: die große Erzählung der
Diskurse, wie sie die Gegenwart führt, sei es auf dem Gebiet der Theorien (Hermeneutik
gegen/mit Nachhermeneutik), sei es, wie hier vorgeführt, auf dem MTV-(Bild)Schirm.
Markanterweise enden wir mit zwei
möglichen Versionen von "neuer" Bedeutung, die erste je nach dem
"positiver" anmutend, die zweite, was das "Schicksal" des
bedeutungssuchenden Rezipienten anbelangt, vielleicht weniger "erfreulich"
erscheinend, beide jedoch auf ihre je spezifische Weise gekennzeichnet durch das Merkmal
des "Verinnerns". Markanterweise vor allem deswegen, weil wir es für einen
seinerseits markanten Zug der Neohermeneutik halten, im interpretativen Verfahren nicht
mehr auf die Bedeutung (wohl aber weiterhin: auf Bedeutung) abzuzielen. Daß
wir der Idee verfallen sind, dies anhand einer ebenfalls "neuen" Form der
Nutzung des Mediums Fernsehen aufzuzeigen, war von der Motivation unterlegt, einmal nicht
am (wie wir finden problematischen) Beispiel von Hypertexten bzw. Hyperfictions darlegen
zu wollen, daß die Inhalte zeitgenössischer Theorieoptionen mit medialen
Erscheinungsformen kontaktierbar sind(25).
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