Was bedeutet das – "Kunst und Verbrechen"? Enthält diese Wortfügung als Sinnprämisse
die Kompatibilität der eigentlichen Begriffe? Die Fragestellung
ist provokativ und fordert vom Künstler das Aufzeigen der Gleichsetzung
und des Unterschieds: Auf welche Weise beziehen sich die Territorien der
Kunst und des Verbrechens aufeinander, können sie zusammenfallen – auf
dem Gebiet des Sinns, auf dem Gebiet der Figuration? Was ist eigentlich
gemeint? Was kann denn der
Künstler tun – die Idee des Verbrechens illustrieren, ein gewisses "künstlerisches
Verbrechen" begehen oder die Adäquatheit dieser Frage selbst anzweifeln?
Die Kunst soll ja nicht illustrieren oder beschönigen, sondern erschaffen,
folglich: Man muß ein Verbrechen begehen. Ein Verbrechen kann man
nicht zeigen. Genauer, es läßt sich selber nicht zeigen. Vor allem: ein
Verbrechen drückt nichts aus. Ein Verbrechen ist nicht Etwas, das von etwas Anderem spricht. Das Wesen
des Verbrechens (und die Organisatoren stellen fraglos die Forderung nach
der Erkennbarmachung des Wesens dieser Frage durch Demonstration
unterschiedlicher Gesichtspunkte, wovon die Anzahl der eingeladenen
Künstler zeugt) besteht in der Konzentration und dem Ausbruch eines
gewissen Willens (ganz gleich, ob eines destruktiven oder vitalen), das
den gewohnten Stand der Dinge grundlegend verändert. In der letzten Zeit haben wir es mit einer Banalisierung der kriminellen Welt zu tun, gewiß.
Der Verbrecher macht sich immer seltener Gedanken über Form, Logik und
Dramaturgie der Handlung, lediglich rare Genies demonstrieren die Stärke
des Willens zum maniakalen Experiment. Wir beschließen, ein Verbrechen zu begehen. Wir beschließen, einen Menschen
zu entführen. Es handelt sich um eine Assistentin, die am Hebbel Theater
arbeitet. Es ist ihre Arbeit, bei der Realisierung der Projekte
behilflich zu sein. In diesem Falle – auch beim Begehen eines
Verbrechens?? Nein, nur beim Hängen
der Fotos, Erteilen von Hinweisen oder vielleicht beim Abschicken von
e-mails. Der Künstler muß darauf verzichten, etwas anderes zu illustrieren, zu zeigen oder zu
bewerten außer dem, womit er sich selber befaßt. Darf er sich mit einem Verbrechen befassen, es begehen,
d.h., es als Ereignis erzeugen ? Symbolische
Morde; rituelle Verbrennungen mit einer Prise Ironie; die Fotos der
Verbrecher an der Wand – all
das hat mit dem Verbrechen nichts zu tun: Aussagen über dies und jenes,
"zum Thema" und "zur Frage". Wir werden sie
entführen. Dieser Gedanke kommt einem unverhofft in den Sinn: besseres
gibt es nicht! Wir entführen die Assistentin – denn es wäre doch widerlich, müßte ein
Projekt über das Verbrechen legal aussehen. Zuförderst muß man
das mit den Kuratoren besprechen, nicht wahr? Was, wenn es ihnen nicht
gefällt? Was, wenn sie es mit der Angst kriegen? Von welchem Verbrechen
kann dann, Teufel noch eins, die Rede sein, wenn alles well organized zu
sein hat ?!! Diese Handlung ist absolut unrepräsentativ. Sie
wird von nichts berichten, außer von sich selbst. Liegt nicht eben darin
das Ziel und der Sinn des Wortes "ein Verbrechen begehen"? Wir tun
etwas Überflüssiges, etwas Unnötiges, etwas, worauf man verzichten
könnte, etwas, ohne dem die meisten Menschen mühelos auskommen, etwas,
was die Frage "wozu?" aufwirft. Jenseits des Illustrativen, jenseits
der Ironie, jenseits des lustigen Einfalls eines Künstlers. So, daß es
nicht möglich wäre, zu sagen: "Oh, das ist aber lustig!". So, das es
nicht möglich wäre, zu sagen: "Oh, das ist aber nicht schlecht!".
Wir
setzen das Mädchen ins Auto. Sie steigt natürlich freiwillig ein, ohne
physische Nötigung.
Sie wird gebeten, ein Stück zu fahren, denn sie bekomme als Assistentin etwas
zu sehen, worüber dann gemeinsam beraten werde. Doch unterwegs springen zwei Personen mit schwarzen Brillen und Perücken ins Auto. Das
ist eine Entführung, klar ?!! Wir
fahren die Assistentin fort. Wohin fahren wir, ist
das nicht zu umständlich, findet das jemand zum Lachen? Zugegeben, wir waren inkosequent. Zugegeben, wir haben sie nicht erstochen, keine Forderungen
gestellt, sie nicht zur Ausstellungseröffnung ins Theater zur allgemeinen
Belustigung gebracht. Reicht es denn nicht, daß wir das Mädchen, ohne
besonderen Plan, in einen Wald bei Potsdam fahren. Wir brechen
in einem bestimmten Moment nicht in Lachen aus und fragen sie: "Na, wie
ist das werte Befinden??" – wir schmeißen sie einfach im Wald raus.
Steigen ins Auto und fahren weg. Mehr war ja nicht verlangt, oder?
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